Einige Menschen von Eugen Roth

Schnitzel
Voreilig
Sprichwörtliches
Für Fortschrittler
Das Hilfsbuch
Irrtum
Der Salto
Allzu eifrig
Musikalisches
Bescheidenheit
Immer
Ermüdung
Wer weiss?
Je nachdem
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Das Schnitzel
Ein Mensch, der sich ein Schnitzel briet
Bemerkte, daß ihm das mißriet.
Jedoch, da er es selbst gebraten,
Tut er, als wär es ihm geraten,
und, um sich nicht zu strafen Lügen,
Ißt er´s mit herzlichem Vergügen.
 

 
Voreilig
Ein Mensch in seinem ersten Zorn
Wirft leicht die Flinte in das Korn,
Und wenn ihm dann der Zorn verfliegt,
Die Flinte wo im Korne liegt.
Der Mensch bedarf dann mancher Finte,
Zu kriegen eine neue Flinte.
 

 
Sprichwörtliches
Ein Mensch bemerkt mit bitterm Zorn,
daß keine Rose ohne Dorn.
Doch muß ihn noch viel mehr erbosen,
daß sehr viel Dornen ohne Rosen.
 

 
Für Fortschrittler
Ein Mensch liest staunend, fast entsetzt,
Daß die moderne Technik jetzt
Den Raum, die Zeit total besiegt:
Drei Stunden man nach London fliegt.
Der Fortschritt herrscht in aller Welt.
Jedoch, der Mensch besitzt kein Geld.
Für ihn liegt London grad so weit
Wie in der guten alten Zeit.
 

 
Das Hilfsbuch
Ein Mensch, nichts wissend von "Mormone"
Schaut deshalb nach im Lexikone
Und hätt´ es dort auch rasch gefunden -
Jedoch er weiß, nach drei, vier Stunden
Von den Mormonen keine Silbe -
Dafür fast alles von der Milbe,
Von Missisippi, Mohr und Maus:
Im ganzen "M" kennt er sich aus.
Auch was ihn sonst gekümmert nie,
Physik zum Beispiel und Chemin,
Liest er jetzt nach, es fesselt ihn:
Was ist das: Monochloramin?
"Such unter Hydrazin", steht da.
Schon greift der Mensch zum Bande "H"
Und schlägt so eine neue Brücke
Zu ungeahntem Wissensglücke.
Jäh fällt ihm ein bei den Hormonen
Er sucht ja eigentlich: Mormonen!
Er blättert müd und überwacht:
Mann, Morpheus, Mohn und Mitternacht ...
Hätt´ weiter noch geschmökert gern,
Kam bloß noch bis zum Morgenstern
Und da verneigte er sich tieg
Noch vor dem Dichter - und - entschlief.
 

 
Irrtum
Ein Mensch meint, gläubig wie ein Kind,
Daß alle Menschen Menschen sind.
 

 
Der Salto
Ein Mensch betrachtete einst näher
Die Fabel von dem Pharisäer,
Der Goot gedankt voll Heuchelei
Dafür, daß er kein Zöllner sei.
Gottlib! rief er in eitlem Sinn,
Daß ich kein Pharisäer bin!
 

 
Allzu eifrig
Ein Mensch sagt- und ist stolz darauf -
Er geh´, in seinen Pflichten auf.
Bald aber, nicht mehr ganz so munter,
Geht er in seinen Pflichten unter.
 

 
Musikalisches
Ein Mensch, will er auf etwas pfeifen,
Darf sich im Tone nicht vergreifen.
 

 
Bescheidenheit
Ein Mensch möcht erste Geige spielen -
Jedoch das ist der Wunsch von vielen,
So daß sie gar nicht jedermann,
Selbst wenn er´ könnte, spielen kann:
Auch Bratsche ist für den der´s kennt,
Ein wunderschönes Instrument.
 

 
Immer...
Ein Mensch erklärt, es sei im Leben
Das Klügste, immer nachzugeben.
Ein andrer Mensch ihm widerspricht
Und meint, bescheiden: immer nicht!
Nur so von Fall zu Fall, beliebig -
Jedoch der Mensch bleibt unnachgiebig.
 

 
Ermüdung
Ein Mensch erfährt es mit Empörung:
Der schönsten Landschaft droht Zerstörung!
Ein Unmensch baut, und zwar schon bald,
Ein Industriewerk nah am Wald.
Der Mensch hat Glück und ihm gelingt,
Daß er die Welt in Harnisch bringt.
Ja, alles stellt er auf die Beine:
Behörden, Presse, Funk, Vereine,
Die scharf in Resolutionen
Auffordern, die Natur zu schonen.
Der Unmensch hat das oft erprobt:
Er wartet, bis man ausgetobt.
Dann rückt - die Zeit ist ja sein Acker -
Er an mit Säge und mit Bagger.
Eh neuer Widerspruch sich regt,
Hat er den Wald schon umgelegt.
Inzwischen hat sich längst der Haufen
All der Empörer müd verlaufen;
Vergebens stößt in seinem Zorn
Der Mensch nun abermals ins Horn.
Der Landrat rät dem Unbequemen,
Die Sache nicht mehr aufzunehmen;
Es wollen Presse auch und Funk
Sich nicht mehr mischen in den Stunk.
Der Mensch steigt von den Barrikaden:
Er ist zum Richtfest eingeladen.
 

 
Wer weiss?
Ein Mensch schreibt feurig ein Gedicht:
So, wie´s ihm vorschwebt, wird es nicht.
Vielleicht hat Gott sich auch die Welt
Beim Schöpfen schöner vorgestellt.
 

 
Je nachdem
Ein Mensch steht an der Straßenbahn.
Grad kommt sie, voll von Leuten an,
Die alle schrein - denn sie sind drin -:
"Bleib draußen Mensch, ´s hat keinen Sinn!"
Der Mensch, der andrer Meinung ist,
Drückt sich hinein mit Kraft und List,
Ja, man kann sagen, was kein Lob,
Unmenschlich, lackelhaft und grob.
Der Mensch, jetzt einer von den Drinnern
Kann kaum sich des Gefühls erinnern,
Das einer hat, der draußen jammert,
Und krampfhaft sich ans Trittbrett klammert.
Er macht sich deshalb breit und brüllt:
"Sie seh´n doch - alles überfüllt!"
 

 

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